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Figure 03: Faszinierend, beeindruckend – und irgendwie unheimlich

Der erste humanoide Roboter, der in unseren privatesten Räumen operiert – und wir haben keine Instinkte dafür, wie wir damit umgehen sollen.

Figure 03 bewegt sich durch eine Wohnung. Langsam, bedächtig, mit einer Entschlossenheit, die keinen Raum für Zweifel lässt. Kein Zögern, kein Stolpern – nur diese gleichmäßige, unaufhaltsame Vorwärtsbewegung, als hätte der Roboter alle Zeit der Welt und wüsste genau, wohin er will.

Dann dreht er sich zur Kamera.

Kein Augenkontakt – nur ein schwarzes Antlitz mit ein paar blinkenden Lichtern. Keine Mimik, kein Lächeln, keine Unsicherheit. Nur Absicht.

Ich denke an C-3PO. An seine zappeligen, fast schusseligen Bewegungen, die ihn harmlos machten. An R2-D2, der piepste und gegen Wände fuhr. Figure 03 macht nichts davon. Er ist kompetent. Präzise. Und genau das, gerade das, fühlt sich falsch an.

Faszinierend. Beeindruckend. Und trotzdem irgendwie ... unheimlich. Vielleicht habe ich zu viele dystopische Filme gesehen. Oder mein Instinkt sagt mir etwas, das ich ernst nehmen sollte.

Denn Figure 03 ist nicht der erste humanoide Roboter. Aber er ist der erste, der explizit dafür gebaut wurde, in meinem Zuhause herumzulaufen. Und das macht einen Unterschied.

Der Unterschied: Verletzlichkeit

Warum fühlt sich Figure 03 anders an als all die anderen smarten Geräte, mit denen wir längst leben?

Alexa und Siri hören zu. Sie sammeln Daten, analysieren unsere Gewohnheiten, kennen unsere Stimmen. Aber sie stehen in einer Ecke. Wir wissen, wo sie sind. Wir haben gelernt, damit zu leben — oder es zu verdrängen.

Staubsauger-Roboter bewegen sich durch unsere Wohnungen, tauchen unter Sofas, kartografieren unsere Räume. Aber sie sind offensichtlich dumm. Sie sind simpel und vorhersehbar. Wenn sie gegen die Wand fahren, lachen wir. Keine Bedrohung, weil sie so eindeutig Maschine sind.

Figure 03 ist anders. Er ist autonom und entscheidet selbst, wohin er geht. Er kann eigenständig handeln: Türen öffnen, Dinge greifen, die Umgebung aktiv verändern. Und er ist allgegenwärtig. Er ist nicht nur für das Wohnzimmer gedacht, sondern für alle Räume: Küche, Schlafzimmer, Bad. Dort, wo wir am verletzlichsten sind.

Das Problem ist nicht die Technologie. Das Problem ist, dass Figure 03 in Räumen agiert, in denen wir am verletzlichsten sind: während wir schlafen, streiten, weinen, nackt durchs Bad laufen.

Wir haben keine evolutionären Instinkte dafür, wie man mit einem autonomen, beobachtenden, handlungsfähigen Ding im eigenen Schlafzimmer umgeht.

Wir haben gelernt, damit zu leben, dass Google mehr über uns weiß als unsere Mutter. Dass Social-Media-Plattformen unsere Stimmungen erkennen, bevor wir sie selbst bemerken. Aber das passiert irgendwo da draußen, in der Cloud, abstrakt.

Figure 03 ist nicht abstrakt. Er steht neben deinem Bett. Mit seinem schwarzen Antlitz. Keine Seele dahinter. Und er geht langsam, sehr langsam, zur Tür.

Das eigentlich Beunruhigende

Aber hier kommt das eigentlich Beunruhigende: In fünf, vielleicht zehn Jahren wird das alles normal sein. Figure 03, oder sein Nachfolger, wird so selbstverständlich sein wie heute ein Smartphone. Und genau das sollte uns mehr zu denken geben als die Technologie selbst.

Die Entwicklung beschleunigt sich rasant. Figure 01, 02, 03 – innerhalb kürzester Zeit. Parallel dazu die Sprünge bei Large Language Models: GPT-3, GPT-4 und -5, Claude, Gemini.

Wir haben uns so an exponentiellen Fortschritt gewöhnt, dass wir bereits enttäuscht sind, wenn die nächste Verbesserung ein paar Monate länger braucht oder nicht sofort offensichtlich ist. Die Science Fiction von vor zehn Jahren ist heute Produktankündigung. Und wir zucken kaum noch.

Vor 20 Jahren hätten wir es für absurd gehalten, dass Konzerne unsere Bewegungsprofile haben. Dass sie vorhersagen können, wann wir schwanger sind, depressiv werden oder den Job wechseln.

Heute? Achselzucken: “Was soll man machen?”

Gewöhnung ist jedoch kein neutraler Prozess. Wenn wir uns an Technologie gewöhnen, verlieren wir die Fähigkeit, die grundlegende Frage zu stellen:
„Will ich das wirklich?”

Stattdessen wird die Frage lauten: „Warum hast du noch keinen?”

In zehn Jahren wird jemand, der Figure 03 ablehnt, vielleicht klingen wie jemand, der heute „kein Internet” will – weltfremd, rückständig, irrational.

Es geht nicht nur um Technologie. Es geht um die Frage:

  • Wohin wollen wir als Menschen?

  • Welche Art von Zuhause wollen wir haben?

  • Welche Art von Beziehungen – zu uns selbst, zu anderen Menschen, zu den Dingen, die uns umgeben?

Diese Fragen werden nicht durch Produktankündigungen beantwortet, sondern durch unsere Entscheidungen. Aber nur, wenn wir sie noch stellen, bevor sie irrelevant werden.

Der Hersteller weiß das. Figure 03 hat waschbare Kleidung, sanfte Materialien, wireless charging. Die Design-Entscheidungen sind nicht zufällig. Sie wollen, dass wir ihn als Mitbewohner und nicht als Maschine sehen. Und die Chancen dafür stehen gut, denn der Nutzen ist groß.

Die Frage bleibt

Würde ich Figure 03 in mein Zuhause lassen?

Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht.

Die Technologie ist beeindruckend. Die Möglichkeiten sind verlockend. Vielleicht ist mein Unbehagen aber auch nur eine irrationale Reaktion auf zu viele dystopische Filme.

Aber vielleicht ist es auch das Letzte, was uns noch sagt:
„Halt. Warte. Denk nochmal nach.”

Bevor wir es normalisieren. Bevor die Frage nicht mehr lautet, ob wir es wollen, sondern warum wir es nicht haben.

Frag mich in fünf Jahren nochmal – vielleicht finde ich die Frage dann absurd. Vielleicht habe ich mich dann daran gewöhnt, in dieses schwarze Antlitz zu schauen.

Oder es ist längst ein Gesicht. Und das wäre vielleicht noch unheimlicher.


Quelle des Videos: Introducing Figure 03 https://www.figure.ai/news/introducing-figure-03

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